Wien // unter Freunden

Was für ein Start ins neue Jahr. Das Feiern kurz vor Silvester hat seinen Zoll eingefordert. Eigentlich war ich ja schon nach Weihnachten kränklich. Und dennoch war noch vor Silvester die ganze Nacht auf Ecstasy am Feiern. Und selbst wenige Tage später, noch immer mit Schnupfen, am Silvester feiern mit Freunden. Danach ging es gesundheitlich weiter leicht auf und ab, was mich aber nicht vom Arbeiten abhalten konnte. Aber am Ende siegt immer der Körper. Letztendlich erwischte mich eine ausgewachsene Angina. Mit dickem Hals liege ich daheim und freue mich über die Wirkung der Antibiotika.

Ich bin noch nicht einmal einen Tag krank daheim und schon ist mir langweilig. Für den nächsten Tag ist eigentlich eine gemütliche Runde Gras rauchen mit Freunden geplant. Obwohl ich mich beim letzten Mal eher schlecht gefühlt hatte, möchte ich es nochmal probieren. Aber da ich krank bin, weiß ich nicht, ob es eine gute Idee ist. So sitze ich am Computer und suche nach Ratschlägen. Tatsächlich wird Gras relativ oft im positiven Zusammenhang erwähnt. Es entspannt und die Heilung wird angeblich positiv unterstützt. Ich bin verwundert. Naja, vom Rauch auf einen entzündeten Hals mal abgesehen.

Am Tag darauf ist die Zeit gekommen den Christbaum zu entsorgen. Ich fühle mich melancholisch während ich die Kugeln vom Baum nehme und wieder verpacke. Mit jeder Bewegung muss ich über das vergangene Jahr nachdenken und über all die Personen, die mir begegnet sind. Jene, die ich gern habe. Jene, von denen ich eigentlich Abstand nehmen sollte, es aber nicht schaffe. Und jene, bei denen ich mich zu selten gemeldet habe. Dennoch fühle ich mich positiv, bereit für 2019. Ein Moment der Kontemplation. Dick angezogen schleppe ich mich den Baum in der Hand gegen den Wind zur allgemeinen Sammelstelle. Am Ende liegt der völlig ausgetrocknete Baum oben auf den anderen. An diesem kalten Wintertag wirkt die Szenerie wie ein Scheiterhaufen. Zurück daheim sauge ich die letzten Nadeln vom Boden auf. Das Zimmer ist wieder sauber, aber leer! Bereit für Neues.

Vor ein paar Tagen war mein Ex-Freund auf der Durchreise zu Besuch. Wir waren gemeinsam Essen und im Anschluss habe ich ihm einige meiner Erfahrungen erzählt. Den Teil mit den Drogen habe ich ausgespart. Vom Rest aber fast alles berichtet. Auch er war verwundert, wie schnell mein Weg über Grenzen hinweg verlaufen ist. Aber am Ende des Gesprächs habe aber auch ich wieder gelernt, dass jeder von uns seine eigenen Geschichten erlebt und meine dagegen nicht unbedingt schlimm oder übertrieben wirken. Wieso? Weil auch er einiges zu berichten hatte!

Heute fühle ich mich jedenfalls gut genug und so gehe ich mit Freunden in die Stadt. Wir wollen in die Monet-Ausstellung, welche in der Wiener Albertina gezeigt wird. Dort angekommen, stehen die Menschen in alle Himmelsrichtungen hunderte Meter weit Schlange. Es ist das letzte Wochenende der Ausstellung und dazu winterliches Sauwetter. Wir beschließen uns nicht anzustellen und gehen stattdessen gemütlich was essen. Gut, dass ich die Ausstellung schon vor einiger Zeit für mich allein genossen hatte.

Später machen wir es uns zu dritt gemütlich, richten ein paar Getränke, frisch gebrühten Kaffee und Snacks. Der Moment, das Licht, die Stimmung - alles passt zum heutigen Wetter. Niemand möchte einen Fuß vor dir Tür setzen. Und mich hat es heute schon mit dem Christbaum in der Hand fast von der Straße gefegt. Mit dem starken Wiener Wind ist nicht zu spaßen.

Nachdem es mir bei einer ersten Erfahrung mit Gras nicht so gut ergangen war, habe ich mir heute vorgenommen nicht wieder mit mir und meinem Magen allein beschäftigt zu sein. Beim letzten Mal hatte ich ein flaues Gefühl in der Magengrube. So ziehe ich diesmal die ersten Züge tief ein und halte sie in mir gefangen. Die Wirkung kommt sofort. Es fühlt sich an wie eine Faust in deinem Kopf. Ganz anders als Ecstasy! Ich kann es nicht einordnen und verstehe nicht, ob es vom Tabak oder vom Gras kommt. Aber es geht mir gut.

Ein wenig später sind wir in Runde zwei und diesmal ist der Joint echt stark. Ich ziehe wieder tief ein und die Wirkung kommt erneut sofort. Nach 10min kommt die zweite Welle. Ich fühle mich gut, aber kann sonst keine echte Wirkung feststellen. Ich muss nicht lachen, komme mir auch sonst nicht langsam vor und fühle mich auch nicht sonderlich beschwingt. Alles in allem sind die negativen Effekte vom letzten Mal bisher ausgeblieben. Wir spielen Karten und ich kann mich auf dem zweiten Platz halten. So langsam fange ich aber an Fehler zu machen und plötzlich hänge in einem Spielzug fest.

Beim späteren dritten Joint hängt es mich dann vollend aus. Er ist wieder zu stark und ich merke die erste Wirkung innerhalb von Sekunden. Bis dahin ist alles gut. Doch dann setzt der Magen ein und ich kann mich wieder nicht entscheiden, ob ich mich übergeben oder einfach nur aufs Klo muss. So verbringe ich die nächsten 10min sitzend neben der Klo-Schüssel. In mich versunken, halte ich die Augen geschlossen und versuche alle Umweltreize auszublenden. Es fühlt sich an als würde sich Dunkelheit wie ein Schleier um mich legen. Wie ein Stein zieht es meinen Körper nach unten. Dem Magen geht es schon besser, aber ich kann und will mich nicht bewegen. Selbst wenn ich wollte, so würde mich mein Körper es nicht zulassen. Ich überlege, ob ich auf allen Vieren aus dem Bad krieche. Nicht dass sich meine Freunde Sorgen um mich machen. Die Blöße will ich mir aber nicht geben. So gewinnt der Geist über den Körper. Mit letzter Kraft raffe ich mich auf, gehe wankend zurück ins Zimmer und setze mich neben die Couch auf den angenehm kühlen Boden.

Sofort bin ich wieder in mich versunken und habe die Augen zu. Der Körper hat wieder die Oberhand gewonnen. Meine Freunde kümmern sich rührend um mich. Ob ich mich hinlegen möchte? Ob ich Wasser trinken möchte? Ob es mich fröstelt oder ob es sich zu sehr dreht? Aber mir geht es gut. Ich bin einfach nur in mir selbst gefangen; bekomme aber jeden Ton, jedes Gespräch mit. Dennoch zieht der Stein meinen Körper weiter runter. Es ist nicht nur Dunkelheit oder Müdigkeit. Nein, es fühlt sich wirklich an als würde dein Körper auf einem Planeten mit höherer Schwerkraft versetzt. Alles an Dir zieht sich wie ein Gewicht nach unten. So lege ich mich letztendlich doch aufs Bett und verharre auf die Seite gekauert.

So geht es dann ungefähr 30min weiter. Innerhalb dieser Zeit vollzieht mein Körper verschiedene Phasen, welche ich ganz klar mitbekomme. Jede von ihnen durchläuft in etwa 5 bis 10min. Erst ist es die Müdigkeit, die an mir zerrt. Ich kann die Augenlider nicht öffnen; mich kaum bewegen. Danach kommt zumindest der Wille langsam wieder. Ich kann die Lider wieder einen Spalt weit öffnen und mich umsehen. Dennoch fallen sie immer wieder zu. Langsam aber stetig kommt nun auch die Energie zurück. Mit ihr aber auch jene Nebenwirkungen, welche ich vom Ecstasy bereits gewohnt bin. Ein ultra trockener Rachen und Durst. Als nächstes zieht sich das Blut in den Körper zurück. Meine Finger und Hände werden kühl und kribbeln angenehm wohlig. Es fühlt sich gut an. Eine gefühlte Ewigkeit später schaffe ich es mich wieder aufzusetzen, muss mich aber gleich wieder hinlegen. Geist und Körper kämpfen noch immer miteinander. Während dieser Zeit nehme ich jedes Gespräch, jeden Ton im Raum mit besonderer Klarheit wahr. Meine Freunde streamen irgendein Video in der es einen Buzzer oder Sound gibt, der im Verlauf der Show immer wieder gedrückt wird. Der Ton fährt mit einer Klarheit durch meinen Kopf, dass es schon fast weh tut.

Erst als die Müdigkeit nach und nach von mir abfällt, schaffe ich es zurück in die Runde. Mein Blick klart sich auf und nach einiger Zeit fühlt es sich an als würde ein Mantel der Dunkelheit kribbelnd von mir abfallen. Mein Rücken, meine Arme, meine Haut fühlen sich gut an. Obwohl es mir peinlich ist, bitte ich einen von ihnen mich einfach in den Arm zu nehmen und fest zu drücken. Meine Freunde meinen, dass dies der Moment für den nächsten Joint wäre. Aber für heute reicht es mir. Ich bin froh den Moment der Schwäche überstanden zu haben. Das Gefühl, dass der Geist gegen den Körper verliert entspricht nicht meinem Instinkt. Beim nächsten Mal nehme ich mir dann vielleicht doch etwas mehr Zeit zu gönnen, um zu sehen was danach kommt. Das Hochgefühl, welches ich durch Ecstasy kenne, ist mir mit Gras bis jetzt jedenfalls fremd geblieben.

Den späteren Abend verbringe ich gemütlich zu Hause und gehe weit nach Mitternacht schlafen. Am nächsten Tag wache ich super entspannt auf. Ich schiele aus den Augen und sehe, dass die Sonne ins Zimmer lacht. Es muss schon spät sein. Erschrocken gucke ich aufs Handy, denn der Bäcker hat nur bis Mittags auf. Das Augen-auf-Augen-Zu-Spiel geht noch eine zeitlang weiter, bis ich mich aufraffen kann. Mein Körper ist noch immer schwer wie ein Stein. Aber ich will Frühstück und mein Magen frisst sich schon fast wie ein Alien von innen aus meinem Bauch heraus.

Kaum sitze ich mit Kaffee und süss bestrichenem frischen Brot am Tisch, überfällt mich wieder die Müdigkeit. Ich schaffe es gerade so aufzuessen und schon liege ich wieder auf der Couch. Die Augenlider sind der Feind. Sie wollen nicht aufmachen. Es ist eine entspannte Müdigkeit, aber kein Schlaf. Alle paar Minuten greife ich zum Handy oder gucke ein paar Minuten fern. Nur um dann doch wieder einzuschlafen. Es ist ein seltsames Spiel. Mein Körper gegen mein Geist. Aber die erzwungene Entspannung tut mir gut. Gesundheitlich fühle ich mich deutlich besser. Die Mischung aus Antibiotika und Gras wirkt Wunder.

Diese Müdigkeit begleitet mich noch den ganzen Tag hindurch. Es ist jetzt früher Nachmittag und so langsam wird es besser. Alles in allem fühle ich mich gut. Ab morgen heißt es wieder arbeiten! Sowohl Wirkung als auch Nebenwirkung erscheinen mir bei Ecstasy um Längen angenehmer. Aber vielleicht täusche ich mich auch. Denn, obwohl ich heute zwar recht träge war, war ich dennoch gut gelaunt und hatte einen schönen Tag. Bei Ecstasy wäre ich heute, spätestens aber morgen, leicht deprimiert und hätte keinen schönen Tag.


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