Mein Weg: Leben mit Schizophrenie
June 3, 2025•981 words
Im Jahr 2020 bekam ich die Diagnose paranoide Schizophrenie. Dieser Moment stellte mein Leben komplett auf den Kopf. Seitdem kämpfe ich jeden Tag, gehe zur Therapie und versuche, wieder ein Stück Normalität in mein Leben zu bringen.
Meine Psychose wurde durch einen Joint ausgelöst, doch eigentlich gab es schon lange vorher Anzeichen. Alles begann mit einem großen Verlust, dem Tod meiner geliebten Oma. Ich erinnere mich noch genau an ihren letzten Anblick. Um den Schmerz nicht spüren zu müssen, rauchte ich täglich Joints. Das Kiffen half mir, den Schmerz zu betäuben, auch wenn ich es eigentlich mochte. Doch der Abschied von meiner Oma ließ mich nicht los und brachte alles ins Wanken.
In dieser Zeit ging vieles schief. Ich konnte keinen Job länger als drei Monate halten, immer wieder ließ mich die Krankheit im Stich. Ich wurde krankgeschrieben und schließlich gekündigt. Statt mich meinem Leben zu widmen, suchte ich Ablenkung in Partys und Vergnügen. Mein Herz war schwer von Liebeskummer, und ich versuchte, meine Gefühle tief zu vergraben. Zu Hause war die Stimmung angespannt, Beziehungen zerbrachen immer wieder.
Heute weiß ich, dass die Krankheit schon lange Teil von mir war, auch wenn ich es nicht wahrhaben wollte. Viele Chancen habe ich dadurch verloren, doch es waren auch meine eigenen Entscheidungen. Das tägliche Kiffen und das Flüchten in den Rausch führten mich immer tiefer in die Krise.
Als ich 2020 meinen vorerst letzten Joint rauchte, spürte ich plötzlich ein stechendes Gefühl in der Brust. Ich bekam kaum noch Luft, meine Lunge fühlte sich betäubt an, und ich wusste sofort, dass etwas nicht stimmte. Später stellte sich heraus, dass ich in diesem Moment eine Psychose erlitt. Ich erinnere mich genau an das Gefühl, wie mir die Luft ausging und ich verzweifelt versuchte, wieder klarzukommen. Nichts half, und ein Ende war nicht in Sicht.
Eine Psychose kann man sich so vorstellen, als würde man auf einem High-Zustand hängenbleiben und nicht mehr in den Normalzustand zurückkehren können. Das war eine extrem unangenehme Erfahrung.
Mir wurde damals erklärt, dass jeder Mensch einen Filter im Kopf hat, der die Wahrnehmung zusammenhält. Beim Kiffen kann dieser Filter aufreißen, und man kann allein durch den Konsum in Zustände geraten, die einer Schizophrenie ähneln. Besonders bekannt sind Wahnvorstellungen und das Gefühl, verfolgt oder beobachtet zu werden. Normalerweise schließt sich dieser Filter nach dem Rausch wieder, und die Wahrnehmung kehrt zur Normalität zurück. Bei mir war das leider nicht mehr der Fall. Der Filter blieb offen, und das schadet dem Gehirn sehr.
Das Wort „verrückt“ bei der Schizophrenie verstehe ich so, dass sich die Wahrnehmung verschiebt. Man sieht und erlebt die Welt auf eine ganz andere Weise. Ich hörte Stimmen, war paranoid und hatte das Gefühl, im Sterben zu liegen. Diese Empfindungen wurden durch heftige Panikattacken verstärkt. Ich sah Dinge, die nicht da waren. Menschen, die mich zuvor freundlich anlächelten, wirkten plötzlich wie Dämonen, die um mein Leben kämpften.
Ich bin ein mutiger Mensch, und deshalb habe ich es geschafft, das alles auszuhalten, bis es besser wurde.
Die Besserung begann, als ich medikamentös eingestellt wurde. Ich bekam Risperidon, ein Medikament, das das chemische Ungleichgewicht im Gehirn wieder ausgleicht und dafür sorgt, dass der Filter möglichst wieder geschlossen wird. Bei mir ging er allerdings nie ganz zu, deshalb höre ich bis heute eine Stimme. Mit ihr habe ich jedoch gelernt zu leben.
Wenn eine Psychose länger als zwei Wochen anhält, spricht man von einer Schizophrenie. Das ist eine bleibende Form der Psychose, deren Symptome sich jedoch im Vergleich zur akuten Phase deutlich verbessern können. Für mich war der einzige Weg damals der Gang in die Klinik. Ich bin sehr dankbar, dass ich schnell Hilfe bekommen habe. Wer weiß, wo ich heute wäre, wenn das nicht passiert wäre.
Die Medikamente hatten Nebenwirkungen. Innerhalb eines halben Jahres nahm ich 60 Kilo zu. Das war schwer zu akzeptieren, aber für mich war es das kleinere Übel. Die Symptome unter Kontrolle zu bekommen, war viel wichtiger als mein äußeres Erscheinungsbild. Ich verstehe, warum viele Menschen Medikamente ablehnen, vor allem wegen solcher Nebenwirkungen. Aber es besteht Hoffnung, dass man sie irgendwann reduzieren oder sogar ganz absetzen kann. Außerdem gibt es die Möglichkeit einer Depot-Spritze, die nur alle zwei Wochen, einmal im Monat oder alle drei Monate verabreicht wird. Man muss dann keine täglichen Tabletten mehr nehmen und gewinnt dadurch ein Stück Lebensqualität zurück.
Ein fester Bestandteil meines Alltags ist die Tagesstätte Schaumburg. Sie gibt mir Struktur, Sinn und das Gefühl, dazuzugehören. Jeden Morgen mache ich mich auf den Weg dorthin, und allein schon der Spaziergang hilft mir, gut in den Tag zu starten. In der Tagesstätte selbst geht es nicht nur ums Kochen, auch wenn ich das mittlerweile gern tue. Es ist ein Ort, an dem Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen zusammenkommen und gemeinsam ihren Tag gestalten. Es wird geredet, gelacht, gemeinsam gegessen, manchmal im Garten gearbeitet oder bei kreativen Projekten mitgemacht. Man kann sich einbringen, aber auch einfach nur da sein. Gerade an schwierigen Tagen tut es gut, in dieser Gemeinschaft aufgehoben zu sein. Ich habe dort nicht nur neue Fähigkeiten gelernt, sondern auch wieder Vertrauen in mich selbst gewonnen. Die Tagesstätte ist für mich ein Ort der Teilhabe, der Stabilität und der kleinen Schritte zurück in ein selbstbestimmtes Leben.
Heute lebe ich mit einer Stimme in meinem Kopf. Am Anfang war das sehr schwer für mich und hat mich oft verunsichert und Angst gemacht. Doch ich habe gelernt, diese Stimme anzunehmen und mit ihr umzugehen. Es gibt immer noch Tage, die schwer sind, an denen ich mich verloren oder traurig fühle. Aber es gibt auch immer mehr gute Tage, an denen ich wieder ich selbst sein kann und mein Leben genießen darf.
Ich habe viel über mich und meine Krankheit gelernt. Heute kann ich sagen, dass ich gut mit der Schizophrenie lebe. Sie gehört zu mir, aber sie bestimmt nicht mehr, wer ich bin. Ich gehe meinen Weg weiter, Schritt für Schritt, mit Hoffnung und Mut