Dienstag, 16. Sept. 2025 at 07:15
September 16, 2025•273 words
3.3 Bildung & Wissen
Ohne Bildung keine Aufklärung. Doch Bildung ist mehr als Wissensvermittlung. Sie ist die Fähigkeit, Fragen zu stellen, Widersprüche auszuhalten, Maß und Mitte zu erkennen. In diesem Sinn ist Bildung der Kern der Aufklärung – und zugleich eines ihrer größten Probleme.
Aufklärung 1.0 setzte auf Alphabetisierung, auf den Zugang zu Büchern, Schulen, Universitäten. Das war ein Fortschritt, der Millionen aus der Unmündigkeit befreite. Doch auch diese Bildung war nie neutral. Sie spiegelte Machtverhältnisse, festigte soziale Unterschiede, blinde Flecken blieben bestehen: Frauen wurden lange ausgeschlossen, Kolonialisierte instrumentalisiert, Arbeiterinnen und Arbeiter erhielten nur rudimentäre Bildung.
Heute stehen wir vor einer neuen Herausforderung. Wissen ist so verfügbar wie nie zuvor – und doch wächst die Unsicherheit. Digitale Informationsfluten, Desinformation und künstliche Intelligenz stellen klassische Bildungsideale infrage. Wer wissen will, muss lernen zu unterscheiden: Was ist überprüft? Was ist manipuliert? Welche Interessen stehen hinter Informationen?
Die Hybris zeigt sich hier in zwei Formen:
- im Glauben, mit Daten und Technik alle Fragen beantworten zu können,
- und im Hochmut, Bildung auf messbare Kompetenzen zu reduzieren.
Eine Aufklärung 2.0 braucht eine neue Kultur des Wissens:
- Kritisches Denken als Kernkompetenz in allen Bildungswegen.
- Wissenschaftliche Redlichkeit als Haltung, nicht nur als Methode.
- Verknüpfung von Natur- und Geisteswissenschaft – Technik und Ethik, Ökologie und Ökonomie, Kunst und Gesellschaft.
- Lebenslanges Lernen – nicht als Zwang, sondern als Möglichkeit, sich immer wieder neu zu orientieren.
Bildung 2.0 bedeutet, nicht alles wissen zu wollen, sondern das Wesentliche zu erkennen. Sie erzieht nicht zum Herren der Welt, sondern zum Teil eines verletzlichen Ganzen. Nur so kann Wissen vor Hybris schützen – und zugleich Kraft für Transformation geben.