Endlich meine neue CD ist da.

Langes Warten durch internationale Versandwege eingeleitet, kann nun durch den lokalen Postmann sich auflösen, mit einem Seufzer der Erleichterung und im selben Moment ein freudiges Lachen.

Das glänzende durchsichtige Cellophanpapier lässt das Erhaltene neu erscheinen, unberührt von Menschenhand, direkt aus der, unter klinisch sauberen Schutzatmosphäre arbeitenden, Maschine.

Das Knistern der Folie findet im Ur-Gehirn des Menschen eine Resonanz; das Körpersystem reagiert darauf, auf energetischem und auch biochemischem Wege, um dem Körperbewohner ein aufbäumen von Glück und Erregung zukommen zu lassen. Es ist ähnlich wie beim Fernsehknabberspass, die Designerkartoffelchips werden nach hochfrequentem Knistern der Verpackung ein weiteres Knusper-Knistern beim Zerbeissen auslösen, und somit die Glücksendorphine im Körper in den Umlauf bringen.

Zurück zu meiner neuen CD, die anfängliche, durch die Verpackung ausgelöste Euphorie, endet in einem Machtkampf zwischen Mensch und Materie. Dichtes Cellophan, kein Riss zu entdecken, undurchdringlich Verpackt, so clean but so mean.
Ein Königreich für einen Riss, eine kleine Unregelmässigkeit in der Umhüllung, nur eine winzige Zäsur würde schon genügen. Aber nein, die Stahlmaschinen haben ihre Arbeit getan, verpacke, hiess es, verpackt haben sie.
Auch das an die Wand schleudern des digitalen Tonträgers hilft nichts. Makellos Verpackt, ganz Tolle Arbeit, sogar verdammt Wasserdicht!

Kein Wunder das die neue Generation ihre Musik in MP3-Version downloaded, in bits und bytes. Zum Beissen ist mir auch gerade zumute ... nur nicht zu nahe kommen. Beissen - versuchen wir's doch mal, doch die ungespitzten Zähne blitzen von der porenlosen Folie ab, wie Wasser von den Tulpenblättern.

Der Mensch hat durch die Entdeckung des Feuers die Welt erobert, doch auch die, aus dem Gasfeuerzeug austretende, Flamme öffnet nicht die Verpackung, sondern verschmilzt die Plastikfolie mit der Hartplastik CD Hülle.

Mein Blick geht suchend im Raum umher, etwas Spitzes muss her. Schere oder Messer waren zu weit weg. Meine Augen blieben auf einem prähistorischen Artefakt haften, einem aus Feuerstein gefertigtem Faustkeil. Die scharfen Kanten dieses im Mittelpaläolithikum entstandenen Werkzeugs triumphieren über die neotechnologischen Maschinen.

Endlich, ein lauter Seufzer der Erleichterung und ein vermischtes Gefühl der Freude aber auch Zorn. Um den Stress induzierten Körperschaden ein wenig zu besänftigen, bringe ich die nun lose Verpackung in meiner Faust zum Knirschen und Knistern. Welch ein Hochgefühl.



Des Windes unerbittliches Kalt
vor Intellekt macht es nicht halt
ein Dummer der ganz nebenbei
sich gar nichts denkt von dieser Schreiberei
fröhlich sich im Winde dreht
von Kälte hat ER nichts erlebt



Scharf sehen, genau sehen, deutlich sehen. Unsere Art die Welt zu betrachten ist Punktgenau und immer gleich. Das innere des Auges offeriert eine Unmenge an Lichtrezeptoren, doch wir begnügen uns mit dem Gelben Fleck (lat. Macula lutea). Immer versuchen wir etwas so zu sehen wie wir es gewohnt sind, wie wir es früher gelernt haben. Damit verfallen wir in die Warnehmung anstelle der Wahrnehmung. Diese Zeichnung des Elephanten macht dies deutlich. Wir sehen den Elephanten und aus unserer Erinnerung, da wir ja schon mal ein Elephanten gesehen haben, wissen wir, dass er vier Beine hat. Von weitem sehen wir also einen Elephanten mit vier Beinen, doch beim genauen Betrachten fallen wir aus unserer gewohnten Wahrnehmung. Angestrengt versuchen wir die Beine mit unserer Erinnerungen zu vereinbaren. Schlussendlich müssen wir akzeptieren, dass dies was neues ist. Damit wurde gerade jetzt eine neue Nervenverbindung in deinem Gehirn gebildet. Jedesmal, wenn wir etwas mit neuen Augen betrachten, beschenkt uns unser Körper mit neuen Strukturen im Gehirn. Wir bekommen wieder wie Kinder, voller Energie, Lebenslust, Begeisterung. Sag dir jeden Tag: "Es könnte alles auch ganz anders sein". Dies ist der erste Schritt um aus dem Alltagstrott auszubrechen.

Versuche doch einmal mit offenen Augen durch die Welt zu gehen. Mach einen Spaziergang und sehe alles wie zum ersten Mal. Fühle, rieche und lass die Vibrationen in deinem gesamten Körper resonieren. Ganz interessant kann es sein bei Dämmerung das ganzheitliche Sehen zu üben. Lass deinen Blick unscharf werden, versuche die ganzen 180° wahrzunehmen. Lass dich von den neuen Eindrücken überraschen und widerstehe der Versuchung dich auf Neuentdeckungen sofort scharf einstellen zu wollen. Oft sehen wir ein Licht, eine Form in den Augenwinkeln, doch sobald wir dort hinschauen verschwindet das Gesehene.

Brich nun aus, aus deinem Käfig, sei frei - JETZT.

Der Panther
Im Jardin des Plantes, Paris

Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille -
und hört im Herzen auf zu sein.

(1902/03, aus: Neue Gedichte)


Unsichtbar der Wind, doch da, streicht er über deine Haut
fühle ihn, offen, wie ein Kind, das in Gedanken grosse Sachen baut
einmal leise, kaum zu hören, in dieser Eigenheit mag er kaum stören
manchmal stark, erschütternd mit Getöse, wühlt er auf, zermürbt dein Gekröse
dann ganz sacht er legt sich wieder, in den Schlaf, streckt seine Glieder