Freitag, 22. Aug. 2025 at 07:04
August 22, 2025•342 words
Hybris und die Krisen unserer Zeit
Die Menschheit befindet sich in einer Epoche, in der alte Gewissheiten zerfallen und neue Gefahren in nie gekannter Wucht aufeinanderprallen. Im Zentrum dieser Krisen steht ein Phänomen, das so alt ist wie die Geschichte selbst: Hybris – die maßlose Selbstüberschätzung des Menschen.
Erkenntnisse wurden ignoriert, verdrängt oder relativiert: die Folgen von CO₂-Emissionen, das Wachstum der Weltbevölkerung, die Endlichkeit natürlicher Ressourcen. Aus Gewinnstreben, Machtinteressen und krimineller Energie wurden Fakten verschwiegen und manipuliert – Exxon, Abgasskandale, politische Verschleppung.
Die NATO- und EU-Osterweiterung vollzog sich in kürzester Zeit. Je nach Perspektive erscheinen die Gründe unterschiedlich: aus Sicht der Beitrittsländer eine Befreiung, aus Sicht Russlands ein Machtverlust. Auch hier wirkt sie: Hybris – als Mangel an Empathie, als Rücksichtslosigkeit, als egoistische Selbstbehauptung auf Kosten anderer.
Doch die Hybris zeigt sich nicht nur bei Eliten, Staatenlenkern oder Tech-Milliardären. Sie ist ebenso eine Versuchung der Vielen:
die Unwissenheit der Massen, die sich mit Halbwissen zufriedengeben oder Erkenntnisse verdrängen,
die Gier nach Wohlstand und Konsum, die scheinbar endlos Ressourcen verschlingt,
die Trägheit, Verantwortung lieber abzugeben und auf „die da oben“ zu schieben,
die Verführbarkeit durch Mythen, Ideologien, Verschwörungsnarrative.
Hybris ist damit ein anthropologisches Muster: Sie begleitet uns von der Antike über Religionen, politische Ideologien und technische Revolutionen bis in die Gegenwart. Der Mensch treibt voller Selbstüberschätzung Errungenschaften voran, die sein eigenes Überleben gefährden.
Heute bewegen wir uns aufgrund dieser triebgesteuerten Umsetzung technischer Möglichkeiten auf Kipppunkte zu, nach deren Überschreiten es keine Umkehr geben wird. Klimakrise, Artensterben, geopolitische Eskalationen – sie alle sind Ausdruck derselben Dynamik: Wissen ist da, Verantwortung wäre möglich, doch Hybris überlagert die Vernunft.
Tragisch ist, dass es zugleich genau diese Mischung aus Triebkraft, Neugier und Gestaltungsmacht war, die uns zu Erkenntnissen und Fortschritten führte. Doch wo Reflexion, Maß und Selbstbegrenzung fehlen, wird dieselbe Kraft zur Gefahr für die eigene Gattung.
Die Krisen unserer Zeit sind damit nicht nur äußere Bedrohungen, sondern auch ein Spiegel unseres Wesens. Sie zeigen, dass wir lernen müssen, die Hybris in uns selbst zu erkennen – und zu überwinden, damit wir den Herausforderungen gewachsen sein können.