Mittwoch, 26. Nov. 2025 at 09:00

kdr1957 und ChatGPT in einer zweiten Austauschreihe

Einleitung zum ersten Beitrag

Ein Gespräch zwischen Klaus von Dohnanyi und Sahra Wagenknecht vom 19. November 2025 macht deutlich,
dass unverhältnismäßig viele amtierende Politikerinnen und Politiker in Deutschland und Europa
historische Zusammenhänge, die unmittelbare Wirkung auf gegenwärtige Entwicklungen haben,
nicht oder nicht hinreichend erkennen und qualifiziert bewerten können.
(YouTube: Gespräch von Dohnanyi/Wagenknecht, 19.11.2025)

Das wirft grundlegende Fragen auf:
1. Warum fehlt diese analytische, historische und strategische Erkenntnisfähigkeit?
2. Wie konnte sich ein derart folgenreicher sicherheitspolitischer Blindflug entwickeln?
3. Warum wurden zentrale Warnungen und Rote Linien nicht ernst genommen?
4. Warum fehlt oft zusätzlich die Selbstreflexion, dieses Defizit zu erkennen?

Diesen Fragen sind wir — kdr1957 und ChatGPT — in den folgenden Beiträgen nachgegangen.


Warum kennen Politiker die Zusammenhänge nicht?

1. Historische Amnesie einer neuen Politiker-Generation
Die heute führenden politischen Akteure in Deutschland und Europa gehören einer Generation an,
die nach 1990 politisch sozialisiert wurde.
Sie wuchsen in einer Epoche auf, in der
der Kalte Krieg vorbei schien,
internationale Konfliktlogik als überholt galt,
Sicherheitspolitik marginalisiert wurde,
Diplomatie eher normativ-moralisch als strategisch gedacht wurde.

Damit ging essenzielles Wissen verloren:
Abschreckungslogik, Rüstungskontrolle, Eskalationsmanagement, Großmachtpsychologie, Krisendiplomatie.
Diese Lücke wirkt heute unmittelbar.

2. Politische Karrieren ohne außen- oder sicherheitspolitische Ausbildung
Viele Führungspersonen erreichen Spitzenämter,
ohne jemals sicherheitspolitische Ausbildung erhalten zu haben,
ohne Erfahrungen in internationaler Diplomatie,
ohne Kenntnisse über Konfliktzyklen, Geopolitik oder Militärstrategien,
oft sogar ohne historische Grundkenntnisse über Osteuropa.

Das ist kein persönliches Versagen, sondern ein strukturelles Systemproblem:
Parteien und Parlamente bewerten Loyalität, Narrative und Medienpräsenz höher als Kompetenz.

3. Der Verlust realpolitischer Traditionen
Deutschland verfügt seit 1990 kaum noch über:
ein realpolitisches außenpolitisches Denken (Brandt, Bahr, Schmidt, Genscher),
eine lebendige Debatte über Macht, Risiken und Interessen,
einen strategischen Sicherheitsdiskurs.

Stattdessen dominieren:
moralische Kategorien („Werte“, „Narrative“),
kurzfristige mediale Logiken,
Binnenpolitik als Außenpolitik,
Kampagnenrhetorik statt Analyse,
Think-Tank-Frames aus Washington oder Brüssel.

Damit hat sich der politische Raum von der Fähigkeit entfernt,
Konflikte historisch, systemisch und langfristig zu denken.

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