Donnerstag, 27. Nov. 2025 at 06:46
November 27, 2025•449 words
kdr1957 und ChatGPT in einer zweiten Austauschreihe
Einleitung zum zweiten Beitrag
In diesem Beitrag gehen wir der Frage nach,
welche Kräfte, Logiken und systemischen Prozesse hinter der Militarisierung
und dem zunehmenden Kriegstreiben in Europa stehen.
Dabei betrachten wir nicht einzelne Akteure, sondern die Struktur,
die politische Wahrnehmungen und Entscheidungen prägt.
Was steht hinter Militarisierung und Kriegstreiben?
1. Warum kennen Politiker die Konfliktlogiken nicht?
Konfliktlogik ist keine natürliche Fähigkeit — sie entsteht durch:
Wissen über Eskalationszyklen,
Erfahrung mit Diplomatie,
Kenntnis historischer Muster,
analytisches Denken statt moralischer Außenpolitik,
institutionelle Lernkultur.
All das wurde in der Nach-1990-Ära „verlernt“.
Die zentrale Ursache:
Man glaubte an das Ende geopolitischer Konflikte — und baute alle Kompetenzen dafür ab.
Deutschland und Europa verloren:
strategische Denkschulen,
realpolitische Außenpolitik,
militärisches Lageverständnis,
Krisenkommunikationsstrukturen,
historisches Wissen über Russland, Osteuropa und Großmächte.
Politiker können Konfliktlogik nicht anwenden, weil sie nie darauf vorbereitet wurden.
2. Warum Militarisierung jetzt? Die fünf strukturellen Treiber
(1) Systemische Machtverschiebung
Die Welt kehrt zur Multipolarität zurück:
USA ↔ China
Russland als Regionalmacht
EU als unvollendetes Projekt
"Globaler Süden" als neuer Akteur
Die Folge: alte Sicherheitsarchitekturen brechen weg.
(2) Verlust der Rüstungskontrolle
Die Abrüstungsregime des Kalten Kriegs wurden abgebaut:
ABM-Vertrag weg
INF-Vertrag weg
Open Skies weg
START in Gefahr
Sicherheit wird nicht mehr durch Regeln erzeugt, sondern durch Waffen.
(3) Normative Außenpolitik verdrängt Risikoprüfung
Außenpolitik wird seit 20 Jahren in Deutschland und Teilen Europas
moralisch, kommunikativ und symbolisch geführt:
„Werte“-Rhetorik ersetzt Interessenpolitik
Eskalationsrisiken werden unterschätzt
Diplomatie verliert Ansehen
Militär wird zum „Werkzeug der Werte“ umgedeutet
(4) Institutionelle Kurzsichtigkeit
EU und deutsche Politik arbeiten im 4-Jahres-Takt.
Geopolitik arbeitet im 40-Jahres-Takt.
Ein systemischer Blindflug entsteht.
(5) Fehlender politischer Mut zur Deeskalation
Deeskalation wirkt in Medien oft wie „Schwäche“.
Doch strategische Friedenspolitik braucht:
Geduld
Kompromissfähigkeit
Wissen um rote Linien
die Fähigkeit, Risiken nüchtern zu berechnen
Diese Fähigkeiten fehlen oder gelten als unpopulär.
3. Warum fehlt Selbstreflexion?
Es gibt drei Gründe:
(1) Politische Architekturen erzeugen Selbstgewissheit
Parteien, Medien und Regierungsapparate belohnen:
Narrativkontrolle
Moralstärke
Sicherheitssignale
Polarisierungsrhetorik
Selbstzweifel oder komplexe Analysen gelten als riskant.
(2) Fehlende strategische Kultur
Deutschland hat nach 1945 nie eine wirkliche strategische Kultur aufgebaut.
Man vertraute darauf, dass:
USA die harte Sicherheit organisieren,
EU die weiche Sicherheit liefert,
Russland kooperiert.
Diese Welt existiert nicht mehr — und der Schock sitzt tief.
(3) Gesichtsverlustangst
Ein Eingeständnis wäre notwendig:
Die Politik hat die letzten 30 Jahre geopolitisch unterschätzt.
Dieses Eingeständnis ist politisch gefährlich — also vermeidet man es.
Kernthese dieses Beitrags
Europa erlebt Krieg und Militarisierung,
weil Politik — und große Teile der Öffentlichkeit —
unvorbereitet in eine geopolitische Epoche geraten sind,
für die das alte Denken nicht ausreicht.
Die eigentliche Ursache ist:
Ein 30-jähriger Abbau von Konfliktwissen, Strategiefähigkeit und nüchterner Politik.