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Mo 25.04.2022

Meine jungen Kolleg:innen aus der Studiengruppe sagen, ich sehe aus, wie ein Mathelehrer. "Ein cooler Mathelehrer", beeilt sich jemand zu ergänzen. Das Vorurteil nagt an mir. Ich stelle mir Fragen über meine Außenwirkung und fühle mich ge-ageismed.

Die Lichteinrichtung für die Lesung läuft sehr gut, ich habe einen genauen Plan und gebe klare Anweisungen. Es macht mir großen Spaß, "Regisseur" zu spielen: Wenn Leute mir und meiner Idee folgen und das womöglich noch gerne! Früher wollte ich niemandem meine Ideen "zumuten". Es gibt aber Leute, die dir gerne folgen, weil es für sie schwer ist, sich selber was auszudenken und durchzuziehen. Wenn du also Regie führst, musst du dir die Krone auch aufsetzen, sonst sind einfach alle frustriert, weil sie sich nirgendwo "einklinken" können.

Mein Lichtkonzept ist opulenter, als das meiner Kolleg:innen - schon richtiges "Theater". Wie wir unsere Lesung präsentieren ist hochindividuell und dem Grad der Vorbildung der Schreibenden überlassen. Das finde ich blöd. Eine Kommilitonin beschwichtigt: "Learning by doing", sagt sie.
Und genau das finde ich so verlogen und verschult. Natürlich lerne ich viel beim knallharten Fehlermachen. Aber als Lernbasis brauche ich am Anfang eine Orientierung, etwas, das ich imitieren kann. Da haben wir es wieder: Handlung als Vorbild (siehe auch: 15 🐍) Mir fällt meine erste Schauspiel-Vita ein, bei der ich Layout und Rubriken 1:1 von der Vita irgendeiner Schauspieler-Homepage übernommen hatte.
Heute kann mir keiner erzählen, dass es besser gewesen wäre, erstmal 5 MB große Worddokumente mit Comic Sans zu verschicken und aus der Ablehnung zu lernen. Was für ein Unsinn und einer Filmuniversität unwürdig.

Zuhause wieder Kopfschütteln: Vor der Pandemie hatten unsere Drehbuch-Studiengruppe für ein Potsdamer Museum Monologe für eine Video-Installation geschrieben. Die Ausstellung wird nun eröffnet und die Einladungs-Mail ist an vielen von uns vorbei gerutscht. Einige Kommiliton:innen und ich sind ohne Gästekarte da. In einem Anfall verzweifelter Egomanie und Unentbehrlichkeitsfantasie rufe ich den Satz, den vor mir schon so viele gerufen haben: "Muss man denn alles selber machen!"

Abends Vorstellung in den Stachelschweinen. Im richtigen Moment packe ich einen Spruch in die Anmoderation, die die 30 Zuschauenden richtig antreibt. Die paar Leute machen eine tolle Stimmung und wir spielen eine Zugabe.
Abends hocke ich mit Essensresten vor dem Laptop und streame die ersten Folgen der letzten "Better Call Saul"-Staffel. Ich gehe viel zu spät ins Bett.


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