Wien // jetzt erstmal Pause

Heute ist Montag der 1. April. Vor mir liegt eine Woche Arbeiten und dann zwei Wochen Urlaub. Erholung und damit keine Zeit fürs Fortgehen. Somit musste ich die Chance vor drei Tagen nochmal nutzen und bin wieder unterwegs gewesen. Eine schwule Techno-Veranstaltung, die immer gut besucht ist. Aber mir ging es nur darum zu tanzen und gute Laune zu haben. Alles andere war mir von vorn herein egal. Ich hoffte nur, dass diesmal die Polizei nicht wieder die Dealer vertrieben hat.

Kaum angekommen, frage ich einen auffällig wartenden Typen, ob er was verkauft. Er verschwindet kurz und kommt mir drei Pillen wieder. Zwei hab ich mir für die Nacht reserviert und eine ist Reserve fürs nächste Mal. Diesmal sind die Pillen dreieckig in Form eines Diamanten und mit einem gleichen Aufdruck darauf; und auffällig klein. Ich verstaue die Pillen in einem kleinen Plastiktütchen, verstecke sie im Schuh und stelle mich in die jetzt schon lange Warteschlange. Es ist 0:30 Uhr.

Erst geht es gut voran, aber dann ist scheinbar Einlassstop und so stehen wir alle lange einfach nur herum. Die Schlange wird immer länger. Neben mir steht auch ein einzelner Partygast. Hinter mir zwei Mädels und dann lauter Typen, die sich so schwul benehmen wie man es sich in seinen schlimmsten Alpträumen nur vorstellen kann. Dazwischen ein paar Deutsche Medizinstudenten, die bissl mit den Mädels in Streit geraten.

Nach einer Weile kommen wir alle ins Gespräch. Der Typ neben mir ist aus Vancouver und mit der Familie in Wien zu Besuch. Dennoch will er Party machen und tut das scheinbar gern überall. Erst kürzlich hat er Paris unsicher gemacht. Nach einer Stunden Warten, stehen wir gemeinsam an der Garderobe und unterhalten uns weiter. Sympathischer Typ. Und kaum an der Bar steht er wieder neben mir. Schon vorher hatte er sich erkundigt, wie hier die Einstellung der Menschen zu Drogen ist. Während man in Paris wohl ja nicht das Wort in den Mund nehmen sollte, verstehe ich unsere Stadt eher als liberal. An der Bar fragt er mich dann wo man was kaufen kann. Im Club hab ich bisher nur selten Dealer gesehen und so erzähle ich ihm, dass er eigentlich draußen was hätte kaufen sollen. Letztendlich verkaufe ich ihm eine meiner drei Pillen und wünsche ihm eine schöne Nacht. Später sehe ich ihn noch auf der Tanzfläche. Im Nachhinein ärgere ich mich, dass ich nicht mehr mit ihm geplaudert und getanzt habe. Warum bin ich wieder so asozial mit mir selbst beschäftigt gewesen?

Der Club ist brechend voll. Und obwohl es eine Gay-Verstaltung ist, besteht die halbe Tanzfläche aus Mädels und Hetero-Pärchen. Die Musik ist gut, aber noch nicht mitreißend und noch nicht mein Stil. Da es so voll ist, wird man ständig hin und herumgeschubst. Man muss sich konzentrieren nicht umzufallen oder einen Hass auf die anderen zu entwickeln. Die Situation ist einfach nicht angenehm. Da es aber schon nach 2 Uhr ist, beiße ich die erste halbe Pille ab und tanze weiter. Das ständige Schubsen nervt mich immer weiter und so bin ich total unvorbereitet als nach gut einer halben Stunde die volle Wirkung einsetzt. Ein Schwall von Energie überflutet mich. Da ich von den Menschenmassen genervt bin, kann ich die Energie nicht kontrollieren. Es fühlt sich an als wäre ich von einem Moment auf den anderen wie betrunken. Ich kann meinen Blick nicht fixieren und bin etwas orientierungslos. Ich muss mich wirklich zusammenreißen und so dauert es gute 15min bis es ein angenehmes Level erreicht.

Auf der Tanzfläche sehe ich ein paar bekannte Gesichter. Schön, dass andere auch so Tanzsüchtig sind wie ich. Ein Typ in meinem Alter lächelt mich an, ich lächle zurück. Später spricht er mich an, aber ich sage wohl irgendwas zurück, was ihm nicht gefällt. So tanzen wir beide weiter. In den ersten Reihen sehe ich Typen, die schon die ganze Zeit voll Gas geben. Sie haben scheinbar früher schon was eingeworfen?! Ich muss am nächsten Tag gegen Mittag zum Flughafen. Der Club sperrt meist gegen 6 oder 7 Uhr zu. So bleibt mir theoretisch noch genügend Schlaf. Aber die Zeit läuft.

Eigentlich möchte ich die erste Hälfte der Pille länger auskosten. Aber nach eine gefühlten Stunde schlucke ich die zweite Hälfte. Im Kopf berechne ich, dass diese ja auch eine Weile braucht, bis sie wirkt. Der Abend wird zu einem Rechenspiel. Irgendwie nerven mich die Menschen noch immer und die Musik trifft nicht genau meinen Geschmack. So habe ich jetzt zwar Energie, aber so richtig wohl fühle ich mich nicht. Das emphatische Gefühl tritt auch nicht ein. Natürlich tanze ich wieder mit einem Typen gemeinsam und man berührt sich. Alles wie immer, alles schön! Über die Zeit trinke ich sicher 1,5 Liter Flüssigkeit, gehe mehrmals aufs WC, um mein schwitzendes Gesicht abzuspülen. Aufs Klo muss ich aber die gesamte Zeit nicht einmal.

Irgendwann hab ich wohl die zweite Pille angefangen. Eigentlich war ich noch immer high und hatte keinen Bedarf, aber ich hatte mir vorgenommen den Effekt von zwei Pillen zu testen. Wieso auch immer! Ich erinnere mich noch, wie ich gegen 5 Uhr überlege, dass ich noch immer die zweite Hälfte der zweiten Pille habe. Eigentlich brauche ich sie nicht. Dennoch werfe ich sie ein. Im Grunde habe ich also jede Stunde nachgelegt. Schon jetzt merke ich die Effekte der dritten Hälfte. Leichte Halluzinationen setzen ein. Aber bei weitem nicht so ausgeprägt wie sonst, aber sie sind da. Eigentlich hätte ich an dieser Stelle warten sollen, denn die Wirkung verstärkt sich in der Regel nach und nach, auch wenn der initiale Energieschub immer schlagartig einsetzt und nicht lange anhält. Aber ich war so dumm die letzte Hälfte einfach hinterher zu werfen.

Nun muss ich mit der Wirkung umgehen. Zuerst merke ich es gar nicht. Aber gegen Morgen verliere ich mich in Gedanken. Während ich tanze, schießt mir ein Gedanke in den Kopf und ich spinne ihn weiter. Es ist als wäre ich genau an dem Ort und zu der Zeit wo der Gedanke spielt. Als wäre ich mittendrin in der Geschichte und nicht auf der Tanzfläche. Es ist wie bei Harry Potter als Dumbledore mit dem Zauberstab Harry den Gedanken aus dem Kopf zieht. In einem Moment bin ich glasklar dabei und dann plötzlich reißt es mich wie aus dem Schlaf zurück auf die Tanzfläche. Ich habe das Gefühl als wäre ich gut und gern 10min geistig abwesend gewesen. Beschämt habe ich Angst, dass ich wirklich wie eine versteinerte Figur auf der Tanzfläche gestanden wäre. Aber niemand guckt mich schief an, niemand kümmert sich um mich. Also werde ich wohl weiter getanzt haben. Bis ich realisiert habe was gerade mit mir passiert, bin ich mindestens sechsmal in Gedanken abgedriftet. Ich hoffe inständig, dass es nicht schlimmer wird, oder ich gar auf der Tanzfläche umfalle. Zum ersten Mal fühle ich mich an einer nicht mehr zu kontrollierenden Grenze angekommen. Zuerst schiebe ich es auf die Müdigkeit, aber ich bin hellwach. Es muss einfach das MDMA sein.

Nach einer Stunde normalisiert sich die Wirkung etwas. Am WC erfrische ich mich und gehe wieder tanzen. Durch die Glaswand an der Seite der Tanzfläche scheint die Morgensonne wunderschön hinein. Ein traumhaftes Bild von tanzenden Menschen im goldenen Licht. Viele sind schon heimgegangen, aber noch immer ist eine beträchtliche Anzahl am Tanzen. Der DJ dreht nochmal richtig auf. Auch wenn sie immer wieder das Licht anschalten und die Gäste zum heimgehen drängen. Ich gucke auf die Uhr. Es ist 7 Uhr. Eigentlich bin ich noch voll high und könnte weiter tanzen. Da ich aber schon bald zum Flughafen muss, entschließe ich mich heimzugehen und die Zeit zu schlafen und runterkommen zu nutzen.

Auf dem Weg nach Hause hatte ich immer wieder schwerste Gedankenaussetzer. Immer wieder drifte ich ab. Aber die Zeit, die ich in dem Gedanken verbringe, wird kürzer. Daheim angekommen überlege ich, ob ich duschen gehe oder gleich ins Bett falle. Ich hab super geschwitzt, aber ich bin jetzt einfach zu faul. Ich stehe im Bad vorm Spiegel und putze mir die Zähne. Erschrocken erblicke ich mein Spiegelblick. Die Pupillen weit geöffnet, ganz normal. Aber an den Schläfen, auf der Stirn und überall am Kopf sind die Adern dick hervorgetreten. Mein Blutdruck muss ungemein hoch sein. Ich sehe Adern wo ich nichtmal wusste, dass ich welche habe. Das Bild erinnert mich an den unglaublichen Hulk. Sonst sehe ich aber normal aus. Weder müde, noch abgekämpft. Eben nur wie ein Bodybuilder, der gerade zu viel Gewichte gestemmt hat.

Die nächsten Stunden schlafe ich gut, aber unruhig. Nachdem ich die letzte Hälfte erst gegen 5 Uhr eingeworfen hatte und die Wirkung noch voll da ist, wundere ich mich, dass ich überhaupt schlafen kann. Pünktlich wache ich noch vor dem Wecker auf. Die Pupillen sind noch immer geweitet, aber draußen scheint die Sonne vom strahlend blauen Frühlingshimmel. Wo ist meine Sonnenbrille? Ich trinke einen Kaffee und mache mich auf zum Flughafen. Während ich noch den Kaffee trinke, schreibt mich ein Typ an und hat Lust auf Sex. Na toll, jetzt wo ich keine Zeit habe. Am Flughafen bleibt mir noch einiges an Zeit übrig. So lege ich mich auf die Bank und schlafe wie ein Baby. Die Geräusche, die Menschen um mich herum, lassen mich wohlig und geborgen schlafen. Kaum im Flieger, schließe ich wieder die Augen, drehe die Musik auf und verschlafe den halben Flug. Dafür habe ich frische Energie für den Rest des Tages. Meine Pupillen sind nun auch wieder normal.


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