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Do 07.04.2022

Ich sitze mit F. morgens am Fenster. Sie sagt, dass eine Kutsche "mit Schnecken vorne dran" lustig sei. Ich liebe sie.

Terminprobleme mit der Szenografin für die Projektmappe und den Schauspielern für die Lesung. Die richtige Mischung aus Rücksicht und Befehlston fällt mir schwer. Frustriert richte eine neue Drehbuchsoftware ein und rede mir ein, dass die Arbeit ab jetzt stressfreier wird. Das ist nicht effizient, aber beruhigend. Eine wohltuende Bestätigung erreicht mich per Anruf: eine Veranstalterin lädt mich als Schauspieler zu einer gut bezahlten Lesung ein - an meinem Geburtstag. Selbstverständlich sage ich zu, weil ich es nicht mag, mir irgendwelche Geburtstags-Aktivitäten auszudenken. Werde stattdessen alle zur Lesung einladen.

Dann fahre ich nach Potsdam und komme zu spät. A. ist zu Recht sauer. Ich sitze im "Wohnbus" von S. und trinke einen Künstlerkaffee: viel Pulver mit heißem Wasser aus einer Tasse, von der ein beachtliches Stück heraus gebrochen ist. Währenddessen nageln A. und ich S. darauf fest, die Mischung für das Hörspiel zu machen. Voller Koffein fahren wir danach im Bus von S. durch kleine Straßen Potsdams und A. nimmt Fahrgeräusche für das Hörspiel auf. S. Wohnbus ist eine fantastische Anarcho-Karre: überall klappern Dinge in Schubladen und Kabel und "Bastelkram" schlingern herum.
Als Dankeschön lade ich alle zu einer ekelhaften Imbiss-Pizza ein. S. erzählt, Potsdam sei die teuerste Stadt Ostdeutschlands. Weil es stark regnet, fährt S. uns noch mit dem Bus zu A.s Tonstudio, wo wir stundenlang Ton-Ideen wälzen. Während einer Pause besuchen wir S., der im Wohnbus den Ofen angefeuert hat und "Büro macht". Ich empfinde sowas wie Glück, diesen Künstler in seinem rollenden, heizbaren Schneckenhaus zu kennen.

Schließlich fahren A. und ich nach Berlin zurück. Eigentlich wollte ich noch ins Kino oder in eine Bar, aber es ist so kalt und so nieselig, dass mir die Lust vergeht, länger, als nötig unterwegs zu sein. Die Oma hat auf F. aufgepasst. Ich biete ihr einen Grappa an, den sie beim zweiten Glas als Wodka bezeichnet. Das ärgert mich, weil das ein sehr guter Grappa ist, den ich mir als Gönnung gekauft hatte, als ich noch Alkohol getrunken habe.


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