19 🧳

Do 21.04.2022

Heute ist erste Live-Probe mit meinen Schauspielern in Potsdam. In einem Anflug meiner eigenen Bedeutung kaufe ich auf dem Weg einen Coffee To Go im Plastikbecher und ein Mettbröchen, das ich zum Mittag essen will. Bis zur U-Bahn habe ich fünf Sprachnachrichten an unterschiedliche Leute aufgenommen, es tut gut, ein paar Bälle anzustoßen.

Im vollen Regio nach Potsdam will eine Lehrerin Ordnung schaffen und weist ihre Jugendlichen an, ihre Koffer vor dem Klappsitz mir gegenüber zu stapeln. Wenn der Regio eine scharfe Kurve nimmt, fallen die unsinnig gestapelten Rollkoffer einfach in den Gang und auf meine Füße. Zwei männliche Jugendliche unterhalten sich darüber: Liegt der Koffer jetzt im Weg? Nein, jetzt steht er - also er STEHT im Weg. Das sind auch diejenigen Jugendlichen, die später nicht verstehen, dass die durchsichtige Klapptür des Abteils nicht automatisch aufgeht, sondern aufgedrückt werden muss. Pubertät muss etwas sehr Schreckliches sein, die ganze Welt ergibt plötzlich keinen Sinn mehr, der klobige Körper ist wie abgeschnitten von der Wirklichkeit.

In der Uni lasse ich mir die gute Laune nicht von einem alten Farbdrucker verderben, der meinen 64 GB USB Stick nicht erkennt, von dem ich die Texte für die Schauspieler drucken will. Zu spät aber motiviert beginnen wir die Probe. Meine Theatererfahrung führt die Probe sehr zufrieden stellend. Es bleibt eine gewisse Sorge darüber, ob das Publikum der komplexen Sprache der Hauptfigur folgen wird.
Darüber spreche ich auch im Anschluss an die Probe mit D., dem Komponisten der Lesung. D. forscht gerade an einer Möglichkeit, Töne aus Pflanzen zu generieren, die deren Blätter man unterschiedlich stark drückt. Ich fühle mich unter solchen Künstler-Naturen am Wohlsten.
Dann noch in der Mensa in der Schlange mit dem neuen Professor für Stoffentwicklung gesprochen. Er ist Tscheche und ich möchte unbedingt, dass er mir bei der Entwicklung für den Film hilft, den ich nach meiner Regie-Übung mit der tschechischen Botschaft machen möchte. Ich zeige ihm Bilder am Handy und er hat Lust darauf.

Zufällig treffe ich meine Sound Designer für's Hörspiel. A. erzählt mir, dass es ein Sound Design Seminar an der Uni gibt, in dem am Ende andere Studiengänge Projekte vorstellen dürfen, für die sie noch Sound-Unterstützung suchen. Warum macht mich das so wütend? Weil Informationen an der Uni kursieren, die für viele Menschen relevant sind, aber strukturell völlig untergehen. Ich habe oft das alte "Schwimm"-Gefühl aus der filmArche wieder.

Abends schaue ich mit einem Nachbarn SQUID GAME zuende und esse Tiefkühlpizza. Wir fangen relativ spät an, weil der Nachbarn abwechselnd bei einem seiner Kinder Einschlafhilfe leistet. Weil ich damit nichts zu tun habe, genieße ich die stummen Zwischenräume auf dem Sofa.


You'll only receive email when they publish something new.

More from Konglomerat
All posts